1. Erlanger Symposium zur Familienbildung mit Spendersamen.

Es versprach eine außergewöhnliche Veranstaltung zu werden –wo kriegt man sonst seine Konferenzunterlagen im Jutebeutel, bedruckt mit einem Spermium im Eiswürfel („on the rocks“) ausgehändigt? Auf dem 1. Erlanger Symposiums zur Familienbildung mit Spendersamen wurde heiß über das gesellschaftlich „tiefgefrorene“ Thema Samenspende debattiert. So trafen sich am 22./23. November 2013 erstmalig in Deutschland alle beteiligten gesellschaftlichen Gruppen: SamenbankerInnen (darunter das Team der Berliner Samenbank), MedizinerInnen, ReproduktionsbiologInnen, TherapeutInnen, JuristInnen und PolitikerInnen boten fachliche Einsichten in die komplexe Thematik. Eine Besonderheit der Tagung war jedoch die ausgiebige Repräsentation der zivilgesellschaftlichen Akteure, darunterSamenspender, deren biologische Nachkommen (vertreten durch den Verein Spenderkinder e. V.) und Eltern, die Samenspenden in Anspruch genommen haben. Somit wurde eine Gelegenheit zum fachübergreifenden gegenseitigen Austausch geboten. Zu den Highlights der vielschichtigen Vorträge und Debatten gehörte das Panel der Familientherapeutin Dr. Petra Thorn. Sie erläuterte, welchen positiven Beitrag die frühzeitige Aufklärung von Spenderkindern über ihre Herkunft für deren Persönlichkeitsentwicklung haben kann. Gefahren schwerwiegender psychischer Folgen, wie Identitätsbrüchen bei Spenderkindern, werde damit vorgebeugt. Ein offener Umgang mit dem Thema könne die negative Dynamik, die die Samenspende als Familiengeheimnis immer noch umgibt, unterbrechen. Stina, Anfang 30, selbst Spenderkind eines anonymen Spenders und Vertreterin des Spenderkinder e. V., fordert genau diesen offenen Umgang in den betroffenen Familien. Sie erwartet jedoch insbesondere von Politik, Ärzten und Samenbanken einen anderen und rechtssicheren Umgang mit Menschen gleicher Herkunftsgeschichte: Ein zentrales Spenderregister, wie es in der Adoption selbstverständlich ist, wird ebenso eingefordert wie die Offenlegung von Spenderidentitäten der Spender, die vor der Gesetzgebungsreform anonym gespendet hatten.Das staatliche Spenderregister ist ebenfalls eine der
Kernforderungen des Vereins DI-Netz e. V., der die Interessen von Spenderkinder-Eltern vertritt. Diplom-Psychologe Ulrich Simon, selbst sozialer Vater von Spenderkindern, umriss das spannungsreiche Feld von betroffenen Familien. Neben dem angesprochenen Register wird die allgemeine Freistellung von Samenspendern (hinsichtlich Erbansprüchen, Unterhalts-/Ausbildungszahlungen) ebenso gefordert wie die Limitierung der Nachkommenschaft pro Spender auf maximal 10 Kinder. Auch die die finanzielle Unterstützung von Empfängerpaaren und Sanktionsmechanismen im Falle des Zurückhaltens von Spenderdaten sind wichtige Aspekte der Vereinsagenda. Licht ins Dunkel des Samenspenderdaseins brachte die von Dr. Hammel geleitete Podiumsdiskussion mit zwei aktiven Spendern der Erlanger Samenbank. Erstmalig in Deutschland erhielt damit die Gruppe der Samenspender auf einer Veranstaltung zur Reproduktionsmedizin Gesicht und Stimme. Bundesministerin der Justiz a. D. MdB Brigitte Zyprieserläuterte in ihrem Festvortrag eine Passage des neuen Koalitionsvertrages zu Ergänzungen und Verbesserungen für die rechtliche Lage der Kinderrechte von Spenderkindern. Hierbei nahm sie Bezug auf die folgende Formulierung: „Wirwerden das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft bei Samenspenden gesetzlich regeln.” (2013, Deutschlands Zukunft gestalten Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode; S. 99).„Die drei kritischen ‚Us‘ (Unterlagen, Umgang, Unterhalt)“
bestimmten die Themen des Vortrags von Fr. Prof. em. Dr. Dagmar Coester-Waltjen, die als Juristin für Familienrecht mit der Problematik seit Jahrzehnten vertraut ist. Schwerpunkt war der Begriffder „Anonymität“ des Samenspenders im deutschen Familienrecht. Ziel des Vortrags war es, mögliche Reformansätze des deutschen Abstammungsrechts aufzuzeigen, die am verwandten Rechtsinstitut der Adoption orientiert sein könnten. Regenbogen-Familiengründung mit Hilfe von Samenspenden kennzeichnet den Schwerpunkt der Arbeit der Psychologin und Vertreterin des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland e.V., Dr. Lisa Green. Die Mutter zweier Spenderkinder und Co-Mutter eines weiteren Spenderkindes ist starke Befürworterin der Frühaufklärung von Kindern, die in Regenbogenfamilien durch Samenspenden entstanden sind. Sie betont die besondere Notwendigkeit der Frühaufklärung in Regenbogenfamilien, um den Kindern Rüstzeug zur Alltagsbewältigung (insbesondere bei Anfeindungen anderer Kinder) zu vermitteln.
Im Gegensatz zu Spenderkinder e. V. und DI-Netz e. V. vertritt sie jedoch die Meinung, dass Spenderkinder nicht unbedingt Zugang zuihren biologischen Herkunftsdaten erhalten müssten. Abschließend stellte Walter Merricks, Mitbegründer der englischen Elterninitiative Donor Conception Network, die gesetzlichen Regelungen zu Samenspende in Großbritannien vor.Er begann seinen Vortrag mit den Worten „I am going to make
you jealous“ („Ich werde Sie neidisch machen“). 2005 gelang es der Elterninitiative, ein Verbot anonymer Samenspenden sowie ein nationales Spenderdatenregister durchzusetzen, anhand dessen nicht nur die Daten des Spenders, sondern ebenfalls Daten von Halbgeschwistern ausfindig gemacht werdenkönnen. Für Merricks ist das Wissen um die Kindesentstehung durch Samenspende „private but not secret“ („privat aber nicht geheim“) – durch diesen Ansatz kann es gelingen, den Begriff der Samenspende zu enttabuisieren und ihn damit –im besten Sinne – zu normalisieren.

Das Team der Berliner Samenbank dankt den Veranstaltern des vielfältigen Symposiums und wird die neu gewonnenen Einsichten in die tägliche Arbeit integrieren, sodass im direkten Umgang mit Spendern und Empfängerpaaren neue Impulse gesetzt werden können.
(http://www.pthorn.de/)

(www.spenderkinder.de)

(www.di‑netz.de)

(www.dcnetwork.org)