WHO Spermiogramm zeitgemäß?

09. Januar 2011

Ist das Spermiogramm nach WHO Standard noch zeitgemäß?

Das Spermiogramm, also die Beurteilung der Konzentration, der Beweglichkeit und des % Anteils normal geformter Spermien dient uns Reproduktionsmedizinern dazu, über eine adäquate Therapie des kinderlosen Paares zu entscheiden. Unter Berücksichtigung der weiblichen Fertilitätsfaktoren dient es dazu zu entscheiden, ob z. B. Inseminationen, die IVF oder eine IVF/ ICSI Therapie angezeigt scheint.

Mindestens 20% der Paare leiden an einer sog. Idiopathischen Sterilität, d. h. daß sich keinerlei Gründe für die unerwünschte Kinderlosigkeit finden läßt.

In den letzten Jahren mehren sich die Studien, die stark anzweifeln lassen, daß die Faktoren des „traditionellen“ Spermiograms wirklich für die Einschätzung der Spermienfunktionsfähigkeit und damit für die Einschätzung der Fruchtbarkeit ausreichen.

Verschiedene Umweltfaktoren ( Umweltverschmutzung, Chemikalien in der Nahrung, Nikotin, Drogen, Medikamente, Strahlung) aber auch einige Krankheiten (Diabetes, Krebs, Infektionen) verursachen durch „oxidativen Stress“ in den DNA Strängen, also direkt in der Erbinformation, Molekülbrüche, sog. Spermienfragmentationen.

Durch sogenannte Spermienfragmentationstests läßt sich der %-satz der Spermien mit Brüchen innerhalb ihrer DNA Stränge ermitteln. Eine zunehmende Zahl von Studien zeigt auf, daß es einen engen Zusammenhang gibt zwischen dem sog. „Spermienfragmentationsindex“ (SFI) und der Schwangerschaftsrate (SSR), Befruchtungsrate bei IVF, der Embryoqualität, aber auch einen solchen mit dem Vorkommen von Fehlgeburten.

Derzeit wird ein SFI von bis zu 15% als normal angesehen, bei einem SFI zwischen 15 und 30% sollte bereits ernsthaft über Maßnahmen wie die IVF oder sogar ICSI nachgedacht werden. Werte über 30% lassen bereits eine Spendersamenbehandlung in Erwägung ziehen.

So es die Umstände erlauben, kann versucht werden, die Spermienfragmentation durch Verringerung des „oxidativen Stresses“ zu verbessern. Eine gesündere Lebensweise und der Verzicht auf Nikotin kann bereits nach einigen Monaten den SFI verbessern. Zusätzlich können Nahrungsergänzungsmittel förderlich sein. Da offensichtlich ein normales WHO- Spermiogramm nicht automatisch das Vorliegen einer normalen männlichen Fruchtbarkeit beweist, sollte allen Paaren die Durchführung eines Spermienfragmentationstests angeraten werden, um nicht unnötig lange mit einer adäquaten, also erfolgversprechenden, Therapie zu warten.

Jedoch ist derzeit noch weitgehend unklar, warum es bei der ICSI Therapie zu einer Verbesserung der Befruchtungs- und Schwangerschaftsrate kommt. Eine mögliche Erklärung ist, daß bereits durch die lichtmikroskopisch durchgeführte Selektion der Spermien diejenigen ohne Fragmentation eher ausgesucht – und damit in die Eizelle injiziert werden.

Quellen:

Clinical Implications of sperm DNA damage- Sheena E. M. Lewis & Luke Simon
(Center for Public Health, Queens University of Belfast, Northern Ireland UK)

Medical Treatment of male infertility- Vivian Rittenberg & Tarek El-Toukhy
(Assisted Conception Unit, Guy´s and St. Thomas` Hospital, London UK)

The role of antioxidant therapyin the treatment of male infertility
(Center for Reproductive Medicine, Glickman Urologickal & Kidney Insitute, Cleveland, Ohio, USA etc.)

Aus “Human Fertility” Vol. 13, Number 4, December 2010